Das Museum Ludwig präsentiert ab dem 26. September 2020 die Ausstellung "Russische Avantgarde - Original und Fälschung" und zieht mit dem Titel das Unverständnis in Kreisen der Fachwelt auf sich. Gerade eine Handvoll der insgesamt 500 Werke umfassenden Sammlung russischer Avantgarde des Museum Ludwigs in Köln sollen dem Wissen der Galerie Gmurzynska zufolge ab diesem Freitag zur Schau gestellt werden, um "erste Ergebnisse" im Hinblick auf ihre "fragwürdige Autorenschaft" zu liefern.
Das nicht die Kunstform selbst im Mittelpunkt steht, ist dabei nicht das einzige, was Experten beanstanden. „Da geht es um reißerische Werbung auf Kosten der Kunst und unter Ausschluss weltweit anerkannter Experten dieses Gebiets.", so Krystyna Gmurzynska, Eigentümerin der Galerie Gmurzynska, eine der weltweit führenden Galerien für russische Avantgarde. Sie selbst habe als Editor (Galerie Gmurzynska hat weit über 200 Bücher publiziert) mit den renommiertesten Wissenschaftlern wie Sarabianov Senior und Junior, Rakitin, Bowlt, Kovtun, Gurianova zusammengearbeitet und dem Museum Ludwig mehrmals ihre Expertise und Zusammenarbeit angeboten, wie dies auch in der Vergangenheit stets der Fall war - leider bislang erfolglos. Darüber hinaus vermisst die Expertin ein Fachgremium, das diese komplexen Untersuchungen hätte vornehmen müssen. Dieses wäre bei einem solchen international bedeutsamen Sachverhalt eigentlich üblich. Doch nun ist es zu spät. 22 der gezeigten Werke tragen den Zusatz „kritische Zuordnung“ und suggerieren damit den Besuchern, es hierbei mit einer, wie zuvor in der Presse propagierten „Fälschung“ zu tun zu haben. Dass diese Behauptungen keinem wissenschaftlichen Diskurs zu Grunde liegen, bleibt dem Betrachter verborgen. Die hier gewählte Anordnung lässt darauf schließen, dass eine differenzierte Einschätzung der Forschungsergebnisse und eine entsprechende Expertendiskussion nicht im Vordergrund stehen könnten. Die Intransparenz des Museums ging sogar so weit, dass die Galerie Gmurzynska die Teilnahme am wissenschaftlichen Diskurs gerichtlich durchsetzen musste – leider bislang nicht mit dem gewünschten Erfolg. Die Galerie Gmurzynska bezieht hierbei ganz klar Stellung im Zeichen der Kunst und wird, so die Planung, gemeinsam mit international renommierten Experten die Hintergründe beleuchten. Weitere detaillierte Stellungnahmen, speziell zu den einzelnen, von der Galerie selbst stammenden Werken werden folgen, sobald der Galerie die vielfach angefragten technischen Analysen endlich vorliegen. „Die Konzeption der Ausstellung erscheint mir willkürlich. Technische Analysen werden vorab unter Verschluss gehalten. Ein sachlicher Diskurs soll erst im November und nach Veröffentlichung stattfinden. Eine derartige Arbeitsweise widerspricht aber unserem Verständnis von wissenschaftlicher und kulturhistorischer Verantwortung und steht im krassen Gegensatz zu den internationalen Usancen. Klar ist, dass so für mediale Aufmerksamkeit gesorgt wird. Das Kalkül dahinter zeigt auch das Zurückrudern von Museumsdirektor Dziewior im Gespräch mit dem SWR. Immerhin sprechen wir heute schon von einem Sammlungswert im Bereich von schätzungsweise gut 500 Millionen Euro.", so Gmurzynska weiter.
Der langfristige kulturelle Schaden für die Sammlung Ludwig, der aus einer solch populistischen Umgang mit der Kunst resultiert, kann derzeit aber nur erahnt werden. „Der Erkenntnisgewinn einer solch oberflächlichen Analyse ist äußerst gering, der Schaden aber bleibt in den Köpfen“, sagt Gmurzynska.
Auch dass für eine Ausstellungen zum Thema 'Fälschungen' gerade die russische Avantgarde herangezogen wird, ist für Gmurzynska kein Zufall: „Das 'Feindbild Russland' ist bereits in der Politik ein probates Mittel. Jetzt wird es eben auch in der Kunst gebraucht und die Werke einer ganzen Epoche darauf reduziert. Die - bislang nicht besonders profilierten - Experten kommen aus Chicago und London, von den renommierten Experten aus Russland ist niemand dabei. Aus meiner Sicht ist dies kein angemessener Umgang eines städtischen Museums mit dem Vermächtnis von Familie Ludwig!"
Auch wenn die Galerie Gmurzynska sicherlich zu den renommiertesten Adressen für die Russische Avantgarde gehört, stammen zahlreiche Kunstwerke der Sammlung Ludwig auch von anderen Kunsthändlern wie Alex Lachmann, oder aus der Shapiro Sammlung. Insofern betrifft die Echtheitsdebatte nicht die Galerie als solche, sondern eine ganze Kunstepoche. Die Betreiber der Galerie Gmurzynska hätten erwartet, dass die seriöse Aufarbeitung der Russischen Avantgarde eben nicht auf Schnellschüsse mit Vorankündigungen von bisher nicht substanziierten technischen Analysen einzelner Restauratoren geprägt wird, sondern auf eine vielschichtige und langwierige Forschungsarbeit von international anerkannten Experten der Russischen Avantgarde beruht. Nur anhand von Fakten und im Einklang mit kunstgeschichtlicher Recherche, visueller Analyse und der Einbeziehung historischer Kenntnisse wie Provenance, Ausstellungen, Expertisen und Publikationen etc. lässt sich eine sichere Aussage über die Zuschreibung eines Kunstwerks treffen.
Über die Galerie Gmurzynska:
Die Galerie Gmurzynska ist eine seit 1965 privat geführte Kunstgalerie mit Sitz in Zürich, Schweiz und New York City, USA. Antonina Gmurzynska war es, die in den sechziger Jahren in enger Zusammenarbeit mit Irene und Peter Ludwig die Russische Avantgarde überhaupt erst im Westen bekanntgemacht hat. „Sie zeigte und verkaufte nicht nur Kunst, sondern stellte sie in wissenschaftlich beachtlichen Katalogen vor, von denen einige Standardwerke der Kunstliteratur geworden sind. Das Museum Ludwig hat jetzt die wohl umfangreichste und beste Gruppe russischer und sowjetischer Avantgarde-Kunst in der Welt. Das ist die Frucht der Kooperation mit der Familie Gmurzynska und Ihrer Galerie“., so Peter Ludwig in einem Zitat Anfang der Neunziger Jahre.